Geschätzter Herr Dr. Schröder,
einer kräftigen (aber unerklärlichen) Regung folgend, schreibe ich diesen Brief.
Da Sie mich nicht kennen und daher auch nicht wissen, was ich so mache, möchte ich Ihnen nachstehend einiges über meine Arbeit erzählen. (das Biografische u.a. können Sie den Beilagen entnehmen) erzählen.
Bald nachdem ich angefangen hatte (mit dem Fotografieren) sah ich mich als Fotokünstler.
Als ich dann aber festgestellt hatte, dass viele „Knipser“ (sie produzierten bewusst-los redundante – i. S. v. keine neuen Informationen tragende – Fotos und zeigten diese schamlos in Cafes, in Banken, in den Stiegenhäusern öffentlicher Gebäude und in unbedeutenden Stadtgalerien) meinten, sie seien Fotokünstler, fühlte ich mich als Vertreter der „Autorenfotografie“. Sie entwickelte sich (wie Sie sicher wissen) in Österreich Anfang der 1970er Jahre aus dem Bedürfnis von ein paar engagierten Fotografen (Karin Mack, Heinz Cibulka, Manfred Willmann u. a.) heraus, ihre Fotografie einerseits gegen die Gebrauchsfotografie der Amateure und Profis, andererseits gegen die „Kunst mit Fotografie“ einiger bildender Künstler abzugrenzen, die Fotografie nicht als, sondern im Dienst von Gestaltung (oder anders: bloß integrativ) einsetzten. Nebenbei erwähnen möchte ich, dass sich Otto Breicha (er ist Ihnen sicher ein Begriff) um die „Autorenfotografie“ besonders verdient gemacht hat.
Heute gehöre ich zu den (fotografisch) bildenden Künstlern. Und das ist nicht nur meine Meinung. Aglaja Arkadi (sie ist Kunstkritikerin) schrieb einmal über mich: „Manfred Pichler ist ein fotografischer Inszenator. Seine Inszenierungsstrategien vollziehen sich hauptsächlich als Objekt- und Bildinszenierungen und orientieren sich kaum am Stil des Suchens und Findens, des Abtastens einer Raum-Zeit-Realität. Bei den Objektinszenierungen geht es Manfred Pichler nicht nur um das Display des Bildgegenstandes, sondern manchmal auch um dessen Konstruktion und Fabrikation. Seine Bildinszenierungen sind Weiterverarbeitungen von eigenem (gelegentlich auch fremdem) Bildmaterial. Er stellt das Bild (als Reihe, Zyklus oder Tableau) in einen verbindlichen Kontext mit anderen Bildern oder kombiniert es (als Doppelbild) mit einem anderen Bild oder mit Text. Die Verknüpfung von Bild und Text gehört zu seinen Struktuierungsprinzipien: Der Text reduziert das breite Deutungsangebot, das dem Bild innewohnt, auf eine leichter deutbare Botschaft. Die Botschaften in Manfred Pichlers Arbeiten haben ästhetische (interpretierende) oder politische (verändern wollende) Funktionen. Dort, wo es um ästhetische Botschaften geht, sind seine Arbeiten ausschließlich konnotativ angelegt, ästhetisch reich, aber nie redundant.“
Sie werden sich jetzt vielleicht fragen: „Warum erzählt mir der Pichler eigentlich aus seinem Leben und über seine Arbeit?“. Die Antwort ist ganz einfach: Ich weiß seit zirka einem Jahr, dass ich Krebs habe und möchte nicht, dass mein fotografischer Nachlass (ich habe keine Kinder) im Depot des MMK Kärnten, der Stadtgalerie Klagenfurt oder einer anderen Kärntner Institution vergammelt. Wenn Sie Interesse an meinem Gesamtwerk (es besteht aus mehreren hundert Arbeiten) haben, bin ich bereit, es Ihnen zu schenken. Die Botschaften in meinen Arbeiten (hauptsächlich geht es um Reihen, Zyklen, Tableaus, Doppel- und Einzelbilder in den Formaten 50 x 70, 50 x 100 und 70 x 100 cm) haben vor allem politische (verändern wollende) Funktionen.
Hab‘ ich Sie neugierig gemacht? Wenn Ja: Dann besuchen Sie mich doch einmal in meinem „Werkeldepot“ (der Begriff „Arbeitslager“ ist historisch belastet).
Mit schönen Grüßen und guten Wünschen
MANfRED Pichler
Velden, 6. Oktober 2013