Sprache

Es gibt Maler, die abstrakt malen, weil sie sich (aus welchen Gründen auch immer) bewusst vom Gegenständlichen gelöst haben und solche, die abstrakt malen, weil sie es gegenständlich nicht können.

Und: Es gibt Autoren, die mit der Sprache (auf welche Art auch immer) spielen, weil sie beispielweise provozieren wollen und es gibt Schreiberlinge, die (weil sie es nicht anders können) jeglichen Grammatik- und Sinnanspruch aufgegeben haben und „mit der Sprache umgehen, wie mit einem dreckigen Handtuch“.

Ich meine, dass gerade in einer Zeit extremer Sprachverarmung (es wird abgekürzt, was das Zeug hält) und Gemütsdürftigkeit wieder eine bilderreiche und poetische Sprache gepflegt werden sollte.

Manfred Pichler

Grenze

Geographisch gesehen gibt es natürliche und künstliche Grenzen. Die einen sind beispielweise Meere, Wüsten, Bergketten und Flüsse und die anderen sind das Ergebnis von Entscheidungen und Abkommen, durch die festgesetzt wird, wo ein bestimmtes Territorium beginnt und wo es endet.

Mit Mauern, Zäunen und Schranken gesicherte Grenzen sollten fallen. Bei gutem Willen und ehrlichem Bemühen der verhandelnden Politiker ließe sich das in vielen Fällen erreichen. Nicht fallen dürften die Grenzen der Moral und des Rechtes. Und die Grenzen in den Köpfen der Menschen müssten überwunden werden.

An Grenzen scheiden sich nicht nur Räume, sondern auch Zeiten und Geister und es genügt nicht, einfach nur an sie zu stoßen. Man müsste sich selbst an Grenzen stoßen – und das konsequent. Grenzen bestimmen nicht, wo etwas aufhört, sondern wo etwas anfängt. Dort hört der Weg nicht auf, dort beginnt er erst.

Manfred Pichler

Dialog im Kärntner Kunstbetrieb?

Den Dialog zwischen den für die Kunst zuständigen Politikern, Verwaltern und Vermittlern hier und den Künstlern dort: gibt’s den eigentlich? Aus meiner Erfahrung: nein!

Wer kein Schleimer ist, wer nicht um die Gunst der politischen Kulturvertreter, der Frühstücksdirektoren in den Museen, der antiquierten Scheinwisser in den öffentlichen und privaten Galerien, der oft unfähigen Beirätler, der Schmähkritiker bei den Medien u. a. buhlt, der kann nicht in ihre Phalanx eindringen. Und landet im Eck, verbittert und oft auch verzweifelt.

Die Macht – und die hat sie zweifelsfrei, die Mehrzahl der Genannten – ist behäbig. So sehr ist sie behäbig, dass sie sich als Maß aller Dinge nimmt, eh kloar. Was der Macht gefällt, ist gut und meistens auch volksnah. Die Macht ermuntert den schlechten Geschmack durch ihre miese Vorbildwirkung. Sie ermöglicht den schlechten Geschmack, sie kennt ihn, sie verbreitet ihn.

Die Kompetenzen, die sich die Macht angefressen hat, stehen ihr nicht zu. Sie hat nicht über „Ist das Kunst oder kann das weg!“ zu befinden, über brave oder schlimme Künstler und ihre schöne (volksnahe) oder kritische Kunst. Kunst muss nicht gefällig sein. Kunst mag von Müssen und Leiden kommen, sicher aber kommt sie aus regelmäßiger und oft auch harter Arbeit. Geschicklichkeit ist nicht immer Kunst. Sie ist oft braves, Wohnungen schmückendes, Massivholzregale füllendes Kunstgewerbe und für gewöhnlich erfolgreich. Und nicht wenige der Exemplare dieses Kunstgewerbes stehen und hängen in vielen der seltsamen Räumlichkeiten der Mächtigen. Soll so sein.

Manfred Pichler

Brief von Peter Turrini

Antwort 04 2019

Brief an Peter Turrini

Geschätzter Peter Turrini,

Arthur Schnitzler hat einmal gesagt: „Das Altern ist eine einsame Beschäftigung“; ich sage: „es ist eine mühsame Beschäftigung.“
Trotzdem: „Angehängt“ ein paar Bilder zum Schmunzeln.

Liebe Grüße aus Velden,

MANfRED Pichler

Anhang

Velden, 23. April 2019

 

Volksverführer

Es nervt mich: wenn Populisten mit roher Gewalt dabei sind, die Zukunft zu verbiegen: Sie missbrauchen die Sprache, um das Volk in kleinen Schritten für große Gemeinheiten zu begeistern. Sie schüren sozialen Neid und Hass gegen Migranten, sie entlassen und legen zusammen, sie wettern gegen die Medien und machen sich lustig über Europa. Sie frönen der alten völkischen und rassistischen Ideologie und basteln an einer Zukunft, die Hartherzigkeit und Spaltung heißt, „einer Zukunft, die genau jene auf’s Kreuz legen wird, die ihr Kreuz bei den Parteien dieser besserwisserischen Typen gemacht haben“ (frei nach Heribert Prantl).

Da Populisten den Beweis dafür, dass sie auch längerfristig die besseren Argumente haben, noch nie erbracht haben, bin ich zuversichtlich. Zuversichtlich, dass sich die freisinnige Gesellschaft durchsetzen wird und dass die Populisten am Ende das Gegenteil ihrer Vision erreichen werden: eine freie und tolerante Gesellschaft, die nicht gefährdet ist, nur weil Populisten und Agitatoren mit Vereinfachungen, Schuldzuweisungen und Feindbildern Nutzen aus der Unzufriedenheit bestimmter Gesellschaftsschichten ziehen.

Manfred Pichler

ÜBER DIE „LINKE MORAL“
(Nach Peter Brückner)

Zu den Grundwerten, die unsere Gesellschaft in den „guten alten Zeiten“ vom Einzelnen erwartet hat (und auch heute erwarten sollte), gehört neben anderem die „achtsame Rücksichtnahme“ auf die Gefühle anderer. Diese setzt Einfühlungsvermögen und ein Gespür für die Besonderheit des Gegenübers voraus.

Die Moral, die verändern will, macht den Einzelnen zur Zusammenarbeit bereit und in vielen Fällen auch formbar. Wenn die „Partei“ nur noch Friede oder nur noch Gewalt ist, nur noch Theorie oder nur noch Parteilichkeit, wenn die eigene Gruppe Gleichgesinnter das Problem des „Bösartigen“ wegrationalisiert, verharmlost oder selbst „bösartig“ wird, dann muss der Einzelne seiner „Partei“ gegenüber jene Leistung erbringen, die er gegenüber dem „gegebenen Herrschaftssystem“ schon oft erbracht hat: die, nicht mitzumachen. Die Moral, gegebenenfalls nicht mitzumachen – das erst wäre individuell und „links“.

Und eine Bewährungsprobe für „linke Moral“ ist, Widersprüche auszuhalten und in sich zu schlichten: ohne vor dem „historischen Bösen“ (dem, was Menschen einander angetan haben und immer noch antun) in die Knie zu gehen und auf Verständnis und Mitgefühl zu verzichten. Ja: Ob wir uns ein Stück „achtsame Rücksichtnahme“ erhalten, wird auch mit zur Bewährungsprobe „linker Moral“ gehören. – Ich bin ein „moralischer Linker“.

Manfred Pichler

Die Medienordnung als Naturgarten freier Äußerungen?

Manch einer stellt sich die aktuelle Medienordnung als einen Naturgarten freier Äußerungen vor, als einen von Gewohnheiten und Rangordnung befreiten Bereich, in dem die Erörterung von Themen durch eine engagierte Öffentlichkeit an die Stelle des mumifizierten Wissens arroganter Experten und suspekter Fachleute getreten ist.

Aber ist das so? Gibt es heute anstelle von Schreibenden und Lesenden, deren Beziehungen früher durch Redakteure, Verleger, Buchhändler u. a. erheblich beeinflusst waren, wirklich eine eingeschworene Gemeinschaft von befreundeten Followern, die sich durch die wohlwollenden und selbstlosen Aktivitäten des Likens und Sharens regelmäßig verbinden und uns durch ihre Handlungsempfehlungen, Lösungsvorschläge  und Kommentare nicht nur bei der Erforschung unserer Vorlieben helfen? Ist die Macht jener, die meinen, zu wissen, was richtig und wichtig sei, wirklich vom Winde verweht worden und ist die Kultur wirklich demokratischer und individualistischer geworden?

Ich meine, nein! Die organisierte Verbreitung von Informationen und Ideen durch die bewährten Mittel der Veröffentlichung hat eine vernichtende Niederlage durch Chaos und Stümperei erlitten. Wo früher Höflichkeit war, werden heute Gift und Galle gespuckt. Statt ehrlicher direkter Auseinandersetzungen gibt es heute oft vorgetäuschte Herzlichkeit oder Cybermobbing. Es ist Usus geworden, dass wir es uns Online gemütlich machen, in den Echo-Chambers der Übereinstimmung, aus denen wir uns immer öfter wegschleichen, um auf den Kontaktseiten oder den Web-Feeds unserer Gegner gehässige Botschaften zu hinterlassen.

Manfred Pichler

Der Wandel der biblischen Geschichte von Babel

Die Geschichte von Weiterentwicklung, von Geradlinigkeit und Wohlbehagen ist auch eine Geschichte von Rückentwicklung, von Winkelzügigkeit und Unbehagen.

Eine Welt, in der die Globalisierung exzessiv vorangetrieben wird, in der bald jedes Kaff glasfaserverkabelt sein und es zu einer Medienübersättigung aller Lebensbereiche kommen wird, verkehrt sich die biblische Geschichte von Babel ins Gegenteil. Laut diesem Mythos wurde die Welt dazumal in unabhängige, regionale kulturelle Enklaven geteilt, von denen jede ihre eigene Integrität hatte. Wichtigkeiten und Werte waren fest umrissen, in der gleichen Sprache, in einer kollektiven Tradition und einer bestimmten vereinbarten Anzahl von Glaubensgesinnungen verankert.

Die treibenden Kräfte der weltweit erfolgten Annexionen, des Kapitalismus, der Globalisierung, des Marktes u. a. haben all diese lokalen Kulturen vernichtet und sie durch kitschige profitorientierte Produkte und flache Massenunterhaltungen ersetzt.

Aber ist es nicht einfach so, dass die Menschen all das so wollen? Und macht die Aushöhlung regionaler Traditionen und Bräuche die Menschen nicht freier und beweglicher und bringt sie nicht neue und spannende Ausdrucksformen hervor? Ist es nicht besser, in einer Welt unzähliger Neuheiten und üppiger Auswahl zu leben, als in einem Zustand der Beschränkung und der Langeweile wie unsere bedauernswerten Vorfahren zu bleiben?

Möglicherweise ist das so, und es scheint so, als hätten wir ohnedies keine Wahl. – In liberalen Konsumgesellschaften ist die Lösung immer die gleiche: mehr und noch mehr.

Manfred Pichler

Brief von Peter Turrini

Antwort 02 2017