VERSPRECHEN und WARTEN LASSEN (frei nach Axel Corti)

Die alten Chinesen, die alten, versteht sich – von den neuen hüte ich mich Derartiges zu behaupten -, die alten Chinesen, es können aber auch die Japaner oder die Vietnamesen gewesen sein, die alten also, die hatten eine besondere Art von Folter: Wasser …

Ja, Wasser, langsam heruntertröpfelnd auf den kahl geschorenen Kopf des Herrn Geständnisverweigerers, diesen nach der Regel: Stetel Tlopfen höhlt die Bilne, solcherart in einen Schreikrampf versetzend und nach und nach durchlöchernd, bis er, völlig zusammengebrochen, gesteht, was er gar nicht gesagt oder getan hat, was die alten Chinesen, Japaner oder auch Vietnamesen aber wollten, dass er gesteht.

Nein diese Art von Folter meine ich nicht. Ich meine jene schleichend zermürbenden Miss-Handlungen, die heute überall dort gewöhnliche Tagesordnung sind, wo eine oder einer hinter einer Budel, hinter einem Schreibtisch (vielleicht auf einem zerfledderten kunststoffgepolsterten Kika-Sessel) oder sonst wo die Zeit verbringt. In allerlei Ämtern und Abteilungen, bei Zeitungen und Verlagen, in Praxen und Ambulanzen, in Kaffeehäusern und anderen öffentlichen Häusern zum Beispiel. Überall dort wird viel versprochen und wenig gehalten und nicht selten wird lange warten gelassen. Um die gemachten und nicht gehaltenen Versprechungen und um das Wartenlassen geht es. Ums brutale, gefühllose und selten begründbare Nichthalten von Versprechungen und ums ebensolche Wartenlassen – ja, darum geht’s.

Manfred Pichler