Brief an Peter Turrini

Geschätzter Peter Turrini,

jahrelang versuchte ich mit denen ins Gespräch zu kommen, de heit wos z’redn hobn in der Politik, in der Kunst und in einigen anderen Bereichen. Doch leider funktioniert’s nicht mit dem Zomkhuman. Entweder sie ignorieren Briefe und E-Mails oder sie versprechen viel, halten wenig und lassen warten. Ja, das machen sie, die Politheinis, die Frühstücksdirektoren, die Galeriechauvis, die Aufgeblasenen beim Fernsehen, bei den Zeitungen und in den Verlagen und überall dort, wo eine oder einer hinter einer Pudl, hinter einem Schreibtisch oder sonst wo die Zeit verbringt. Kurz: Die Wüste ist nicht der einzige Ort, wo alles im Sand verläuft.

Und es gehört auch zu den Krankheiten unserer Zeit, dass das, was uns die von Amts wegen für die Kunst zuständigen Leute als frisches Blut präsentieren, meistens doch nur abgestandenes Prunzlach ist. Welch traurige Wahrheit!

Übrigens: Die einen sind von Arschlöchern umgeben, die anderen sind selbst Arschlöcher und wieder andere sind selbst Arschlöcher und von Arschlöchern umgeben. Kurz: Es gibt zu viele Arschlöcher.

Trotzdem ich seit dem Jahre 1971 im In- und Ausland ausstelle, zahlreiche Wettbewerbe und einige Preise gewonnen habe, in vielen Medien publiziert habe und bei uns zu den wenigen kritischen Fotografen gehöre, die auch außerhalb Österreichs erfolgreich ausgestellt haben, ist es mir nicht gelungen, den hiesigen Kulturverantwortlichen bewusst zu machen, dass die Fotografie Teil der bildenden/gestaltenden Kunst sein kann und kein eigenständiges Medium sein muss.

Ich denke gerne an die Zeit zurück, als die Leute noch neugierig und auf der Suche waren und ich mit mir Wohlgesinnten wie O. Breicha, Margit Zuckriegl, W. Koschatzky, H. Schwanda, W. Ligges, W. Hengl, K. Princic, F. Dickermann, E. Geyer, B. K. Steiner, H. Ogris, Renate Obud, H. Scharf, J. Tichy, S. Schmölzer, G. Stöckl u. a. immer wieder lange und interessante Gespräche führte.

Bis vor Kurzem habe ich die ignoranten und hemmenden Typen im Kunstgeschehen bekämpft. Heute mache ich es nicht mehr, weil es der Mühe einfach nicht wert ist. Und wenn ab und zu Nachdenklichkeit über mich kommt, bleibe ich beim Spazierengehen am Damtschacherbach stehn, spucke ins Wasser und denke: „Panta rhei“.

Und weil ich denke, dass ich Sie wieder einmal „zum Lachen bringen“ kann, schicke ich Ihnen „angehängt“ den in den letzten Jahren mit einigen Politikern und Kunstverantwortlichen geführten Brief- und E-Mail-Verkehr. Zusätzlich schicke ich Ihnen gedruckte Verkleinerungen von Arbeiten, die ich heuer im Herbst unter dem Titel „Missbrauchte Macht“ in Laibach zeigen werde.

Liebe Grüße und gute Wünsche (nicht nur) für’s neue Jahr,

MANfRED Pichler

Anhang

Velden, 23. Januar 2017

Kunst?

Ein echtes Kunstwerk – und das sagen vor allem aufgeblasene Kuratoren und andere Gscheitwaschl – muss theoriefähig sein. Mit den Avantgarden des beginnenden 20. Jahrhunderts begann eine Entwicklung, die K. P. Liessmann als „Entmachtung der Kunst zugunsten ihrer Theorieabhängigkeit“ umriss: Nur eine in einem „konstituierenden Diskurs“ entwickelte Theorie kann ein bedeutungsloses Etwas zu einem Kunstwerk machen. Ebendas gelingt um so besser, je ausgefeilter und vielschichtiger die entsprechenden Argumentationstexte sind. Diese werden dazu meistens mit philosophischen Termini und Statements von vermeintlichen Experten voll gestopft.

Affen- und Eselschwanzmalerei, aufgetürmter Metallschrott, umhüllter Hausmüll, abgefüllte Bockprunze und getrocknete Kuhscheiße, angehäufte Fetzen und vieles andere brauchen also nur die regelmäßige Versorgung mit kühnen Theorien von einigen neung’scheiten Wichtigtuern, um als echte Kunstwerke zu gelten und (nicht nur) das breite, wenig gebildete Publikum zu glühender Bewunderung zu verführen.

Manfred Pichler

Was die Leute nicht verstehen und vielleicht meinen

Wie heißt doch gleich das Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist …“? „… Schweigen ist belämmert.“ Vielleicht? Nein, so heißt es  wahrscheinlich nicht. Aber wie dann? – Jetzt fällt’s mir wieder ein: „… Schweigen ist Gold.“ Ja, so heißt es, dieses arabische Sprichwort.

Das Schweigen, das ich meine, ist nicht Gold. Es ist die Vergeltung von Leuten, für deren Überheblichkeit, deren mangelndes Wissen und deren Trägheit ich bissige Worte finde. Nur: Diese Leute verstehen nicht, dass meine Bissigkeit von mir nicht als Waffe gedacht ist. Nein, das verstehen sie nicht.

Diese Leute meinen vielleicht, dass es besser sei zu schweigen oder zu ignorieren und als überheblich, wenig wissend und träge verdächtigt zu werden, als zu reden oder zu reagieren und dadurch alle Zweifel zu beseitigen. Ja, das meinen sie vielleicht.

Manfred Pichler

Holocaust

Kann man den Holocaust überhaupt abmalen oder nachzeichnen? Ich sage: „Nein!“. Und wenn man’s macht, dann ist das – weil unecht und scheinheilig – Kitsch, was man macht. Man kann ihn malen oder zeichnen – gegenständlich meine ich. Ja, sicher. Gemeinhin aber nur dann, wenn man ihn erlitten hat. Wie Zoran Mušič zum Beispiel.

Ohne ihn erlitten zu haben, kann man den Holocaust in Ausnahmefällen schon auch gegenständlich darstellen. Ja, sicher. Aber wenn, dann muss es eine metaphorische Darstellung sein. Und wenn es keine metaphorische ist, dann kann es auch eine abstrakte sein.

Abmalen oder Nachzeichnen kann man ihn allerdings nicht – diesen verwerflichen und kranken Holocaust.

Manfred Pichler

Zoran Mušič in Venedig

Auf der Website https://www.siegbert-metelko.at/zoran-music-portal/ finden Sie interessante Informationen über Zoran Mušič, den man auch „Maler des Todes“ nennt.

Über die Dummheit

Wenn ich sage: „Das Volk ist dumm“, dann denke ich dabei nicht nur an die breite Masse und den Mangel an Verstand. Aber nein! Ich denke dabei auch an jene einzelnen in allerlei Ämtern und Abteilungen, bei Zeitungen und Verlagen oder sonst wo Tätigen und Untätigen, die einen nicht hochkommen lassen wollen, auch wenn man ein Anselm Adams, Alfred Eisenstaedt, Peter Lindbergh, Helmut Newton oder sonst wer von den Guten wäre. Und ich denke dabei auch an Eigenschaften wie Überheblichkeit, Gefühllosigkeit … und daran, zu meinen, die Weisheit für sich gepachtet zu haben. Ja, an das alles denke ich, wenn ich von Dummheit spreche.

Die Wahrheit und das Gute haben nur ein Kleid und einen Weg und sind immer im Nachteil. Wie an den meisten Erkenntnissen ist auch an dieser etwas Wahres. Kann ich nicht leugnen. Und sie stammt von einem der bedeutensten österreichischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Dem von „Der Mann ohne Eigenschaften“ nämlich. Von Robert Musil also.

Manfred Pichler

VERSPRECHEN und WARTEN LASSEN (frei nach Axel Corti)

Die alten Chinesen, die alten, versteht sich – von den neuen hüte ich mich Derartiges zu behaupten -, die alten Chinesen, es können aber auch die Japaner oder die Vietnamesen gewesen sein, die alten also, die hatten eine besondere Art von Folter: Wasser …

Ja, Wasser, langsam heruntertröpfelnd auf den kahl geschorenen Kopf des Herrn Geständnisverweigerers, diesen nach der Regel: Stetel Tlopfen höhlt die Bilne, solcherart in einen Schreikrampf versetzend und nach und nach durchlöchernd, bis er, völlig zusammengebrochen, gesteht, was er gar nicht gesagt oder getan hat, was die alten Chinesen, Japaner oder auch Vietnamesen aber wollten, dass er gesteht.

Nein diese Art von Folter meine ich nicht. Ich meine jene schleichend zermürbenden Miss-Handlungen, die heute überall dort gewöhnliche Tagesordnung sind, wo eine oder einer hinter einer Budel, hinter einem Schreibtisch (vielleicht auf einem zerfledderten kunststoffgepolsterten Kika-Sessel) oder sonst wo die Zeit verbringt. In allerlei Ämtern und Abteilungen, bei Zeitungen und Verlagen, in Praxen und Ambulanzen, in Kaffeehäusern und anderen öffentlichen Häusern zum Beispiel. Überall dort wird viel versprochen und wenig gehalten und nicht selten wird lange warten gelassen. Um die gemachten und nicht gehaltenen Versprechungen und um das Wartenlassen geht es. Ums brutale, gefühllose und selten begründbare Nichthalten von Versprechungen und ums ebensolche Wartenlassen – ja, darum geht’s.

Manfred Pichler

Die Magie des Augenblicks

Wenn man versucht, einen besonderen Augenblick mit seiner Kamera festzuhalten, entgeht er einem oft und mit ihm die Magie, die er vielleicht in sich trägt. Die besonderen Augenblicke im Leben sind dafür da, dass man sie genießt und nicht in einer Kamera „einkastelt“. Vergessen werden wir sie kaum. Warum also sollten wir sie in Bildern festhalten? Die Lehre, die ich daraus ziehe: Ich werde aufhören mit dem Fotografieren. Wann? – Ich weiß es nicht. Noch nicht.

Manfred Pichler

„Kalimera!“

Sie haben ihn tanzen lassen, die in Brüssel. Ja wen denn eigentlich? Den Alexis! Nein, nicht den Sorbas – und nicht Sirtaki. Den Tsipras aber – und wie einen Tanzbären auf der heißen Platte. Und mit ihm alle Syriza-ner und das ganze griechische Volk. Ja, gedemütigt haben sie sie: den Tsipras, seine Regierung und alle Griechen.

Der Internationale Währungsfond hat für Griechenland einen teilweisen Schuldenerlass gefordert. Einen teilweisen, keinen ganzen – einen Schnitt also. All denen, die meinen, so ein Schnitt wäre unfair, ins Hirn geschrieben: Beinahe 80 Prozent der Kredite sind zu den Profitmaximierern in den Banken und zu anderen Finanzmanipulierern geflossen. Das griechische Volk hat vom geliehenen Geld nichts bekommen – aber schon gar nichts. – Der Mindestrentner, die Serviererin, … und all die anderen (bei uns und anderswo in Europa) haften also nicht für einige korrupte griechische Beamte, sondern in erster Linie für die Deutsche Bank.

Die Griechen werden ihre Kredite dann wieder zurückzahlen können, wenn ihre Wirtschaft erst einmal auf Touren gekommen ist und dann – auf Touren bleibt. Und … ja, ohne großzügige (!) europäische Hilfe wird’s nicht gelingen.

Nebenbei bemerkt: Besonders für Sozialdemokraten ist es ganz wichtig, dass sie in Brüssel und Straßburg nicht nur dabei sind und zuhör’n, sondern dass sie sich für die Verwirklichung sozialer und demokratischer Ziele tatkräftig einsetzen.

Manfred Pichler

„Schimärische“ versus „Authentische“

Sie sind für mich „schimärisch“, weil ich „authentisch“ bin. Sie halten sich zwar für „authentisch“, kennen aber den Unterschied zwischen „authentisch“ und „schimärisch“ nicht. – Keine faulen Kompromisse machen, selbst wenn es einem empfindlich schadet, bei den Leitern, bei den Verwaltern, bei den Medienfritzen, im Leben überhaupt, ein „Geradeaus-Geher“ sein: hinein in das eventuelle Schlamassel seines – wahrscheinlich vorbestimmten – Schicksals, heißt „ein Authentischer“ sein! Den einem innewohnenden Egoismus meistern durch eine Art von „altruistischer Lenkung“ seines oft armseligen Lebens, heißt „ein Authentischer“ sein! – All diese beamteten Gschaftler, Kitschmaler, Leichtgewichtszeichner, Anstreicher, Knipser und Zeitungsschoitln im Kunstbetrieb sind sicher „keine Authentischen“. Ich könnte noch einige andere Täuscher im Kunstbetrieb (und auch anderswo) als „Schimärische“ deklarieren (sogar namentlich), aber ich mache es nicht. Und das deshalb, weil ich großzügig bin und sie wegen ihres mangelnden Wissens, ihrer Überheblichkeit und ihrer Trägheit bedauere. Ja – das bin und mache ich.

Manfred Pichler

DER PICHLER IST TOT

NICHT WIRKLICH, ABER SOZUSAGEN, in gewisser Weise also. – Einige werden wohl irritiert gewesen sein: „Nein, das kann nicht sein … der Manki doch nicht“ oder so ähnlich, werden sie gedacht haben, als sie zwischen ihrem Tagesblattl und all dem Werbeglumpert das Kuvert mit dem schwarzen Strich und dem Adressaufkleber meiner Frau entdeckt hatten.
Irritiert – wohl.

„Warum verschickt er die Einladungen zu seiner Geburtstagsfeier in der Art einer Parte?“ haben sich vielleicht manche gefragt. Und vermutet haben sie, dass …? Ja – richtig: Es steckt etwas dahinter.
Etwas Unerfreuliches.

Die Verwalter und Leiter in unserem Lande: sie sitzen und warten, halten in Evidenz und lassen warten. Sitzen tun s‘ hinter ihren Schreibtischen auf kunststoffgepolsterten – manchmal auch schon zerfledderten – Sesseln und warten tun s‘ (wenn’s um bildende Kunst geht) auf Angebote von anderen Galerien und bekannten (heimischen) Künstlern. Junge und (bei uns) unbekannte Künstler halten s‘ in Evidenz und lassen s‘ warten.

Dass es hier zu Lande vielen guten Künstlern schlecht geht, daran … ja, daran sind auch die antiquierten, ahnungslosen und trägen Schoitls bei den Zeitungen schuld. Und ihr immer gleiches Geschwafel – egal, um wen und was es geht -: es liest sich wie eine Sammlung von Floskeln irgendwelcher Dahintersteher … irgendwelcher hinter ihrem Chef Stehender oder Wartender.

Ja, so ist es halt in unserem Lande. – Schade. Und die Parte? Wegen des (Tot-)Schweigens.

Manfred Pichler